Digitaler Zwilling für Spritzgusswerkzeuge
Digitaler Zwilling für Spritzgusswerkzeuge: Wie virtuelle Modelle die Realität verbessern
Die Produktion im Kunststoffspritzguss stellt höchste Anforderungen an Präzision, Qualität und Verfügbarkeit. Ein digitaler Zwilling – also ein virtuelles Abbild eines realen Werkzeugs – bietet die Möglichkeit, sämtliche relevanten Zustands- und Prozessdaten digital zu erfassen, zu analysieren und vorausschauend zu nutzen.
Doch wie genau funktioniert ein solcher Zwilling? Und welchen konkreten Nutzen bietet er in der Praxis?
1. Was ist ein Digital Twin?
Ein digitaler Zwilling ist mehr als nur ein digitales 3D-Modell. Es handelt sich um eine strukturierte, dynamische Abbildung eines physischen Objekts – in diesem Fall eines Spritzgusswerkzeugs –, die laufend mit Echtzeitdaten aus der Produktion angereichert wird.
Dabei umfasst der digitale Zwilling typischerweise:
- ein CAD-Modell (Soll) oder einen 3D-Scan des Bauteils
- Die Istdaten des Werkzeugs ist der Anspruch von morgen
- Sensor- und Prozessdaten wie Temperatur, Schließkraft oder Zykluszeit
- Algorithmen zur Analyse und Vorhersage (z. B. Verschleißverhalten)
Diese Daten fließen in eine digitale Plattform ein, häufig nach Industrie-4.0-Prinzipien wie IoT-Integration und standardisierten Verwaltungsschalen (Asset Administration Shells).
2. CT-Vermessung als Basis
2.1 Warum CT?
- Volumetrische Detailtreue: Röntgen-CT erfasst das komplette Innen- und Außengestalt eines Werkzeugs – auch verdeckte Strukturen wie Kühlkanäle oder verborgene Risse.
Das Voxelvolumen dokumentiert die Struktur des Bauteils und lässt Rückschlüsse auf Festigkeit und mögliche Schwachstellen durch Porositäten (Vakuolen) - Höchste Genauigkeit: Bei Auflösungen im Mikrometer-Bereich lassen sich selbst minimale Abnutzungserscheinungen und Materialveränderungen erkennen.
Voxel für Voxel, die industrielle Computertomografie kurz ICT ermöglicht die vollumfängliche Analyse und digitale Speicherung des Istzustands - Non-Destruktiv: Werkzeuge bleiben intakt, und regelmäßige Scans können ohne Demontage durchgeführt werden.
2.2 Datenaufbereitung
- Scan und Rekonstruktion: Mehrere Röntgenprojektionen erzeugen den 3D-Voxel-Datensatz.
- Segmentierung: Trennung von Stahl, Keramik-Beschichtungen und eventuell eingedrungenem Abrieb oder Schmiermitteln.
- Oberflächenmeshing: Umwandlung in ein analysierbares Polygonmodell (z. B. STL), auf dem Verschleißmessungen durchgeführt werden.
3. Verschleiß erkennen, bevor es kritisch wird
Digitale Zwillinge ermöglichen eine Vielzahl an Methoden zur Verschleißüberwachung:
| Methode | Beschreibung |
|---|---|
| 3D-Soll-Ist-Vergleich | Geometrieabweichungen durch Farbvergleich sichtbar machen |
| Körperschallsensorik | Frühwarnsystem für mechanische Komponenten durch Schwingungsanalyse |
| Dehnungssensoren | Belastungs- und Strukturüberwachung an kritischen Stellen |
| Abstandssensoren | Kontrolle der Passung und des Schließverhaltens |
| Weitere Sensorik | Temperatur-, Druck- und Maschinendaten zur Indizierung von Anomalien |
Diese Systeme liefern kontinuierliche Informationen, die in der digitalen Plattform analysiert und ausgewertet werden. Teilweise kommen dabei auch KI-gestützte Mustererkennungsverfahren zum Einsatz.
4. Intelligente Wartung: Predictive statt präventiv
Ein zentraler Vorteil digitaler Zwillinge liegt in der vorausschauenden Instandhaltung. Statt fixe Wartungsintervalle einzuhalten, die möglicherweise unnötig sind oder zu spät greifen, kann der tatsächliche Zustand des Werkzeugs überwacht werden.
So wird der digitale Zwilling zum Frühwarnsystem. Überschreiten Messwerte definierte Schwellen, wird automatisch ein Wartungsauftrag generiert – beispielsweise „Auswerferführung X nachschmieren“. Dies reduziert ungeplante Stillstände deutlich.
Ein weiterer Pluspunkt: Die gesamte Lebenslaufhistorie eines Werkzeugs wird dokumentiert, inklusive Belastungen, Reparaturen und Qualitätsdaten.
5. Qualitätskontrolle im Regelkreis
Auch in der Qualitätssicherung eröffnen digitale Zwillinge neue Möglichkeiten. Indem sie kontinuierlich Produktionsdaten mit dem virtuellen Modell abgleichen, lassen sich:
- Qualitätsabweichungen frühzeitig erkennen
- Simulationen zur Maßhaltigkeit durchführen
- Rückverfolgbarkeit bei Reklamationen sicherstellen
Durch diese Verknüpfung entsteht ein geschlossener Regelkreis: Werkzeugzustand und Produktqualität stehen in direktem Zusammenhang – und werden gemeinsam bewertet.
6. Aufbau des Digital Twin
- Initialer Soll-Zustand:
- Vermessung des neuen oder grundlegend gewarteten Werkzeugs via CT und CAD-Abgleich
Anlage des digitalen Basismodells mit Materialkennwerten und Fertigungsparametern
- Datenintegration:
-
-
- Periodische CT-Scans (z. B. nach definierten Spritzzyklen oder Stillstandsphasen)
- Verknüpfung mit Prozessdaten (Druck, Temperatur, Zykluszeit) und Umgebungsbedingungen
-
- Modell-Update:
- Automatisches Einspielen der aktuellen Ist-Geometrie ins Zwilling-Modell
- Differenzanalyse zwischen Soll- und Ist-Geometrie zur Berechnung von Volumen- und Oberflächenverlust
- Simulation & Prognose:
- Finite-Elemente-Simulation (FEM) unter realen Lastfällen
- KI-basierte Trendanalysen für Verschleißentwicklung
7. Praxisbeispiel „Werkzeug X“
- Ausgangslage: Ein Mehrkavitäten-Spritzgusswerkzeug produziert täglich 50.000 Teile. Bisherige Wartungszyklen alle 2 Monate führten zu unplanmäßigen Stillständen aufgrund unerwarteter Risse.
- Umsetzung:
- Initialer CT-Scan vor Serienbeginn
- CT-Folgescans alle 100.000 Zyklen
- Einbindung in den Digital Twin mit automatisierter Soll-Ist-Analyse
- Ergebnis:
- Erste Mikrorisse im Kavitätenvorbereich bei 300.000 Zyklen entdeckt
- Wartung rechtzeitig geplant, Maschinenstopp um 40 % reduziert
- Werkzeuglebensdauer um 15 % verlängert
8. Ausblick
Die Kombination aus industrieller CT-Vermessung und Digital Twin wird künftig weiter an Fahrt aufnehmen. Mit immer schnelleren Scans, Cloud-basierten Auswertungen und integrierter KI ist eine Echtzeit-Überwachung denkbar. Die Grundlage dafür liefert bereits heute die präzise Datenbasis, die nur CT liefern kann.
Fazit:
Ein Digital Twin auf Basis von CT-Daten verschiebt Spritzgusswerkzeuge vom reaktiven in den proaktiven Servicebetrieb. Frühzeitige Verschleißerkennung, optimierte Wartungszyklen und fundierte Lebenszyklusanalysen machen den Unterschied zwischen ungeplanten Stillständen und wirtschaftlicher Fertigung. Starten Sie mit Ihrem ersten CT-geführten Digital Twin und sichern Sie sich entscheidende Wettbewerbsvorteile!
